Masken aus Kelkheim in Massen produziert
VON HEIKE LATTKA
Gerade hat ein Mitarbeiter der Hattersheimer Stadtverwaltung angerufen und Stoffmasken bestellt. Einzige Auflage: Schwarz müssten sie sein, damit die Friedhofsbediensteten bei Beerdigungen auch in Corona-Zeiten bei Begräbnissen bei Trauernden einen pietätsvollen Eindruck vermittelten. Solche Anfragen sind kein Einzelfall: Die Kelkheimer Bürgerstiftung ließ sich ihr Logo auf die Masken drucken, Gleiches tat der Regionalverband Frankfurt/Rhein-Main für die Masken seiner Mitarbeiter. Auf Extrawünsche geht Guido Kerber, Geschäftsführer von Kerber & Lampe, gerne ein – auch wenn die Produktion unterdessen boomt. Die Kerbers, die eigentlich ihr Geld längst mit anderen Maschinenteilen verdienen, haben ihre alte Ledermaschinenfabrik mit einem neuen Geschäftsmodell reaktiviert. Seit Juni stellt das stillgelegte Traditionsunternehmen Community-Masken mit Hydro-Propylen-Vliesstoff und geprüften Mund-Nasen-OP-Schutz made in Germany auf einer extra angeschafften Maschine aus China her und vertreibt als Großhändler obendrein FFP2-Masken. Im Online-Shop www.kela-schutzmasken.de explodiere die Nachfrage.
Er sei mit der teuren Maschinenanschaffung ins Risiko gegangen, aber das Geschäftsmodell zahle sich aus, sagt Kerber – geschätzt rund 700.000 Masken aus der Kelkheimer Produktion seien bisher deutschlandweit verkauft worden – und es würden täglich mehr. Dass er seine Söhne Tim und Dennis in den reaktivierten Betrieb wegen des Ansturms einbinden musste, er unterdessen sein Einkommen hauptsächlich mit den Schutzmasken verdient, hätte sich Kerber noch vor einem Jahr nicht träumen lassen. Doch seit März sei das Geschäft seiner Hauptfirma MZE, die graphische Maschinen wie den „Eurocutter“ herstelle, eingebrochen. Die Pandemie habe zu dieser „verrückten Geschichte“ beigetragen, die er nun zu erzählen habe.
Mit krisenbedingten Pleiten kennen sich die Kerbers aus: Noch in den achtziger Jahren war Vater Werner mit Weltmarktführer mit seinen „Kela“-Spezialmaschinen, große Gerbereimaschinen wurden hergestellt, bis die Maul- und Klauenseuche 2001 die deutsche Lederindustrie und damit dieses Geschäftsmodell zum Erliegen brachte. Bis März dieses Jahres war das Unternehmen nur noch eine reine Besitzgesellschaft, erläuterte Kerber. Aber mit einer neuen Seuche – Covid-19 – wurde das Unternehmen aus seinem Dornröschenschlaf erweckt und erhielt einen neuen Firmenzweck.
„Bei uns geht nichts mehr“
Denn Kerber wusste seine guten Kontakte nach China zu nutzen. Seit 1999 unterhält er eine Geschäftsverbindung mit einem großen Papierschneideunternehmen in China. Als die Aufträge wegen Corona ausblieben, er seinem Partner vermitteln musste: „Bei uns geht nichts mehr“, sei die Idee zur Maskenproduktion entstanden. Tatsächlich konnte die Schwägerin des chinesischen Geschäftsfreundes helfen, die wiederum einen Betrieb leitet, der Maschinen für die Schutzmaskenproduktion herstellt. 150.000 Dollar investierte Kerber in eine solche chinesische Anlage, die entsprechende Qualitätskontrollen gewährleiste und Auflagen der wichtigsten Prüf-Zertifikate erfülle.
In zweiwöchigen Chats, die laut Kerber „gefühlt Tag und Nacht andauerten“, wurde die Anlage – ein Förderband mit diffizilem Ultraschweißgerät und mehreren automatischen Arbeitsstationen – gemeinsam mit den Chinesen über Video aufgebaut. Höchster Standard und ein Öko-Tex-100-Zertifikat wurden beantragt und genehmigt. Dies sei ihm wichtig gewesen.
Natürlich habe die sorgfältige Herstellung ihren Preis, und es lasse sich noch nicht voraussagen, ob die deutschen Masken wirklich ein zukunftsführendes Geschäftsmodell für ihn seien, berichtet Kerber. Denn die Chinesen dominierten diesen Markt, und diese könnten mit Billigangeboten ganz schnell jedwede deutsche Initiative im Keim ersticken. Beispiele hierfür gebe es zuhauf: So machten billige Solar-Panels aus China ihre deutschen Mitbewerber kaputt – sie waren nicht mehr konkurrenzfähig mit ihren Preisen. Kerber hofft deshalb auf ein Langzeitgedächtnis bei deutschen Einkäufern für Krankenhäuser: Alle Menschen sollten sich erinnern, wie schwer und teuer die Maskenbeschaffung noch im Frühling gewesen sei und wie sehr der Mangel an deutschen Produktionsstätten kritisiert worden sei.
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